Was ist ein Projektentwickler?
Geschichte
Das Berufsbild des Projektentwicklers ist ungenau definiert. Für den einen ist der Projektentwickler ein Bauträger, Bauherr oder schlicht der „Initiator“ eines Bauvorhabens. Für den anderen ist der Projektentwickler gleichzusetzen mit einem Projektsteuerer. Verschiedene weitere Definitionen zirkulieren.
Die Projektentwicklung von Immobilien als eigenständiges Berufsbild ist relativ neu. Daher lohnt es sich, die Umstände zu betrachten, unter denen der Beruf des Projektentwicklers entstanden ist. Im 19. Jahrhundert stieg der Bedarf nach Büroflächen sprunghaft an, nachdem infolge der Industrialisierung erstmals in der Geschichte eine nennenswerte Dienstleistungsbranche entstanden war, welche Ihren Siegeszug bekanntlich bis heute fortsetzt. Anfänglich vor allem in den nordamerikanischen Grossstädten New York und Chicago entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein völlig neuartiger, eigenständiger Gebäudetyp: das spekulative Bürogebäude, das in der Lage sein musste, auf verschiedene Nachfrageszenarien flexibel zu reagieren.
Gleichzeitig ermöglichten die Anwendung von Stahl bei der Baukonstruktion, eine sich stetig verbessernde Technologie für die Gebäudeklimatisierung und sichere, schnellere Aufzüge den Bau immer grösserer, komplexerer und höherer Gebäude.
Aufgrund des rasanten Bevölkerungswachstums in den Städten entstanden überall in der industrialisierten Welt erstmals im grossen Stil Wohnungsprojekte in den unterschiedlichsten Formaten. Mitte des 20. Jahrhunderts wurde in den USA ein weiterer neuer Gebäudetyp entwickelt: das überdachte, klimatisierte Shoppingcenter.
Die meisten dieser Projekte wurden aufgrund einer antizipierten positiven Nachfrage spekulativ errichtet. Mit grossen Immobilienprojekten liess sich – damals wie heute – viel Geld verdienen. Allerdings gab es auch immer wieder hohe Verluste. Schnell erkannten die Initiatoren, dass sich die Erfolgschancen für ein Projekt deutlich verbessern lassen, indem es konzeptionell und architektonisch möglichst genau die Erwartungen der künftigen Nutzer vorwegnimmt. Es erwies sich zudem als vorteilhaft, durch ein einfallsreiches Marketing frühzeitig Mieter oder Käufer zu finden und gleichzeitig die Realisierungsrisiken – insbesondere Baukosten- und Terminrisiken – durch ein professionelles Projektmanagement überschaubar zu machen.
Aus diesen intensiven, von einem harten Wettbewerb angetriebenen Bemühungen, die Verlustrisiken der spekulativen Bautätigkeit besser zu beherrschen und zugleich die Gewinnchancen durch vorausschauendes Handeln zu verbessern, ist der Beruf des Projektentwicklers hervorgegangen.
Die Aufgabenbereiche
Der moderne Projektentwickler ist in der Lage, sämtliche Aspekte eines Bauvorhabens positiv zu beeinflussen und zu optimieren. Dabei ist es egal, ob er auf eigene Rechnung arbeitet oder in Dienstleistungsfunktion für Investoren, die die hohen Gewinnchancen von Immobilienprojekten für sich nutzen möchten.
Einerseits muss der Projektentwickler eine Vielzahl von Managementaufgaben wahrnehmen und neben eigenem Fachwissen auf ein breites Netzwerk von hoch spezialisierten Unternehmen und Personen zurückgreifen können. Ohne eine präzise Budgetierung, solide Finanzierung, gut durchdachte Verträge, koordinierte und detaillierte Planung, abgestimmtes Baurecht, aktive Steuerung der Bauausführung und professionelle Vermietung und Vermarktung ist die erfolgreiche Umsetzung eines Immobilienprojekts schliesslich nicht möglich. Aufgrund dieser umfangreichen Managementleistungen wird der Projektentwickler oft als Steuerer eines Immobilienprojekts wahrgenommen. Und ohne Frage ist die perfekte Koordination aller Aspekte eines kleinen oder grossen Bauvorhabens eine Tätigkeit, für die viel Erfahrung und Fachkenntnis benötigt wird.
Für den Projekterfolg von grösserer Bedeutung ist allerdings das zweite Aufgabengebiet des Projektentwicklers:
Der Projektentwickler bestimmt die Konzeption und die Architektursprache seiner Bauvorhaben. Er antizipiert aufgrund seiner Marktkenntnisse, welche Kriterien für die späteren Nutzer eines Gebäudes von Bedeutung sein werden und leitet daraus präzise Vorgaben an die Gebäudeprogramme, die Gestaltung und die Qualitätsstandards ab. Der Projektentwickler beeinflusst die Gebäudeplanung ergebnisorientiert vom Gesamtkonzept bis zum kleinsten Detail. Er gewährleistet auch eine optimale Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Planungsgewerken wie dem Architekten, dem Statiker, den Planern der technischen Gebäudeausrüstung sowie oftmals vielen weiteren Planungsbeteiligten. Dies führt nicht nur zu qualitativen Verbesserungen, sondern zu erheblichen Kosteneinsparungen, da eine optimierte Gebäudeplanung um viele unnötige Komponenten ohne Qualitätsverluste bereinigt werden kann.
Erst die Kombination aus qualifizierter konzeptioneller, gestalterischer Tätigkeit und professionellem Projektmanagement ermöglicht es, kontinuierlich erfolgreiche Immobilienprojekte zu realisieren.
Erfolgreiche Bauvorhaben sind oft der Wegbereiter für weitere Investitionen am gleichen Standort. Der Projektentwickler kann daher sehr wesentlich zu einer positiven urbanen Entwicklung beitragen. Mit zunehmendem Umweltbewusstsein in der Öffentlichkeit übernimmt der Projektentwickler auch eine grosse Verantwortung bei der Planung von energieeffizienten und umweltfreundlichen Gebäuden.
Abschrift – Case Study von M. Kühne, 2010, Hühne Development Services GmbH